Nürnberg. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) hat gemeinsam mit anderen führenden Fachgesellschaften an einer neuen Empfehlung gearbeitet, die den Verzicht auf die Anwendung von Lidocain zur Schmerzreduktion bei der Anlage intraossärer Zugänge in der Kindernotfallmedizin empfiehlt. Diese Empfehlung wurde in Zusammenarbeit mit der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin (GNPI) sowie dem German Resuscitation Council (GRC) erarbeitet.

Die Fachgesellschaften betonen, dass in über der Hälfte der Fälle die Anwendung bei reanimationspflichtigen Kindern erfolgt, bei denen die Schmerzhaftigkeit des Verfahrens keine Rolle spielt. „In allen anderen Notfallsituationen birgt die intraossäre Anwendung von Lidocain zu viele Risiken“, erklären PD Dr. Björn Hossfeld und Dr. Bernd Landsleitner, die seitens der DGAI an der Empfehlung mitgearbeitet haben.

Die Expertinnen und Experten der beteiligten Fachgesellschaften empfehlen daher: In unmittelbar lebensbedrohlichen Fällen bei meist bewusstseinsgetrübten Kindern wird nötigenfalls auf eine primäre Analgesie verzichtet. Für alle anderen Situationen empfiehlt sich ein zweizeitiges Vorgehen mit Erst-Analgesie über einen alternativen (z.B. intranasalen) Applikationsweg. Liegt weder ein unmittelbar lebensbedrohlicher Fall noch die Möglichkeit einer zweizeitigen Therapiestrategie vor, so soll kritisch geprüft werden, ob eine Indikation zur intraossären Punktion besteht.

Die Empfehlungen basieren auf Vorfällen, bei denen es nach der Anwendung von Lidocain zu schwerwiegenden Komplikationen gekommen ist. Die Fachgesellschaften rufen dazu auf, diese neuen Leitlinien unverzüglich in die notfallmedizinische Lehre und Ausbildung zu integrieren, um das Risiko für weitere Zwischenfälle zu minimieren.

Die dazugehörige S1-Leitlinie 001-042: „Die intraossäre Infusion in der Notfallmedizin“ befindet sich gerade in Überarbeitung. Bis zur Fertigstellung haben sich die Autoren der LL entschlossen, diese Stellungnahme voranzustellen, um weitere schwere Schädigung von Kindern zu verhindern.

Die Stellungnahme wurde in der November-Ausgabe der Fachzeitschrift "Anästhesiologie und Intensivmedizin" veröffentlicht und ist hier abrufbar.