Nürnberg.
Die Intensivmediziner unter den deutschen Anästhesisten bezeichnen die geplanten Maßnahmen von Bundesgesundheitsminister Lauterbach zur Beseitigung der Engpässe in der Kinder-Intensivmedizin als unsinnig und gefährlich.
"Es ist unrealistisch, dass eine Pflegekraft, die normalerweise auf einer Erwachsenen-Intensivstation arbeitet, plötzlich auf einer Kinder-Intensivstation eingesetzt werden kann", sagt Professor Dr. Frank Wappler, Präsident der "Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin" (DGAI) und selbst erfahrener Intensivmediziner. Für die Versorgung von Früh- und Neugeborenen oder schwerkranken Kindern auf einer Intensivstation sind ganz andere Fähigkeiten notwendig als in der Erwachsenmedizin. Das kann man nicht mal eben lernen. Denn hier geht es um ganz andere Größenordnungen und Krankheitsbilder." Deshalb sei eine Versetzung von Pflegern und Schwestern von einer Erwachsenen- auf eine Kinder-Intensivstation sinnlos und trage nicht zur Lösung des Problems bei, so Wappler weiter. Mehr noch: Eine solche Maßnahme berge seiner Ansicht nach sogar Gefahren und Risiken.
Anästhesistinnen und Anästhesisten sind häufig auch Intensivmedizinerinnen und Intensivmediziner. Viele tausend Ärztinnen und Ärzte in den Reihen der DGAI verfügen über die Zusatzausbildung zur Versorgung von Intensivpatientinnen und Intensivpatienten. Die Anästhesistinnen und Anästhesisten sind für diese Aufgabe besonders geeignet, weil sie viele Erfahrungen haben mit Medikamenten, spezieller Beatmung wie in der Corona-Pandemie und der Versorgung von Schwerkranken und Schwerverletzten.
"Der Pflegenotstand in der Intensivmedizin wird nur verlagert"
Pflegepersonal jetzt aus der Erwachsenen- in die Kinderintensivmedizin zu schicken, ist für die Intensivmediziner unter den Anästhesisten noch aus einem weiteren Grund der falsche Schritt: "Wir verlagern den Pflegenotstand damit aus der Kinder-Intensivmedizin noch einmal in die Erwachsenen-Medizin", macht DGAI-Präsident Wappler deutlich. Auch auf den Intensivstationen für Erwachsene könnten derzeit mehr als ein Drittel aller Betten nicht betrieben werden, weil Pfleger und Schwestern fehlten: "Dieses Problem bestand schon vor der Corona-Pandemie, hat sich während der Pandemie verschärft und ist längst noch nicht gelöst!" Damit werde die Lage auf den Erwachsenen-Intensivstationen noch immer schwieriger.
Minister Lauterbach greift in Kompetenzen der Krankenhausträger ein
Außerdem wundern sich die Experten der DGAI darüber, wie Minister Lauterbach bestimmen kann, wie und wo die Kliniken ihr Personal einsetzen. Das sei schon ein formales Problem, erklärt Professor Wappler. Eine solche Entscheidung könnten höchstens die Träger selbst treffen. Es sei denn, Lauterbach wolle eine "Notfallverordnung" erlassen. Aber das sei im Moment wohl nicht absehbar.
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