Nürnberg. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) zweifelt bei der geplanten Hybrid-DRG-Verordnung an der wirtschaftlichen Umsetzbarkeit, speziell für Leistungen im Bereich Anästhesie.  In einer Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums listet die Fachgesellschaft eine ganze Reihe von Kritikpunkten auf und fordert Anpassungen, ohne die eine sektorengleiche und ebenso kostendeckende Vergütung nicht möglich ist.

Zum Hintergrund: Im Koalitionsvertrag hatte die Bundesregierung die Förderung der Ambulantisierung „bislang unnötig stationär erbrachter Leistungen“ durch sektorengleiche Hybrid-DRGs angekündigt. Nachdem sich Kassenärztliche Bundesvereinigung, der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenklassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft nicht auf einen Entwurf zu den Hybrid-DRGs geeinigt hatten, greift nun eine Ermächtigung, dies per Verordnung durch das Bundesgesundheitsministerium zu regeln. In dem jetzt vorgelegten Referentenentwurf zur Verordnung wurden diese Leistungen konkretisiert und ein Startkatalog von 244 Operationen nach dem OPS-Katalog vorgelegt, die über 12 Hybrid-DRGs abgerechnet werden sollen. Geplant ist eine pauschale normativ festgelegte Vergütung für die Hybrid-DRGs einzuführen, die sowohl niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, Belegärztinnen und -ärzten, MVZ und Krankenhäusern berechnungsfähig sein sollen.

 

Erhebliche Mängel und Inkongruenzen

Die DGAI begrüßt das Vorhaben, die ambulante Erbringung von bestimmten Operationen durch finanzielle Anreize zu fördern – und zwar unabhängig vom Sektor der Erbringung. Sie weist hierbei insbesondere auf die steigenden Kosten in den Bereichen Personal, Energie, sowie bei Betriebs-, Sach- und Medikamentenkosten hin, die die wirtschaftliche Erbringung von Leistungen auf Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) sowohl für Vertragsärzte als auch für Krankenhäuser erschweren. Zugleich sieht die Fachgesellschaft im vorliegenden Verordnungsentwurf jedoch erhebliche Mängel und Inkongruenzen und fordert konkrete Nachbesserungen.

Besonders für die anästhesiologische Leistungserbringung sieht die DGAI erhebliche Probleme hinsichtlich der Umsetzbarkeit des vorgeschlagenen Entwurfs. Dabei macht sie vor allem im Bereich der Abrechnung, der Zuordnung von Leistungsanteilen sowie bei der vertragsärztlichen Zulassung und bei Kooperationen der Leistungserbringer auf erhebliche Schwierigkeiten aufmerksam.

So kritisiert die DGAI, dass der Entwurf eine transparente Darlegung der Kalkulation der einzelnen Hybrid-DRGs schuldig bleibt, weil die Zeiträume, für die sie gelten sollen, und damit die durch die Pauschalen vergüteten Leistungen ungenau definiert werden.

Darüber hinaus soll im vertragsärztlichen Bereich ebenso wie schon im Krankenhaus ein sogenannter DRG-Grouper eingesetzt werden, der jedoch für den ambulanten Bereich unbrauchbar ist und zudem hohe Kosten verursacht.

Der Entwurf geht von einem einzigen abrechnenden Leistungserbringer aus, der aus der abgerechneten Pauschale alle beteiligten Ärztinnen und Ärzte vergüten soll. Die DGAI fordert hingegen, dass anästhesiologische Leistungen separat abgerechnet werden können, zum einen, um den Anreiz zur Ambulantisierung zu unterstützen und zum anderen, um die Abhängigkeit von Anästhesistinnen und Anästhesisten und den Vorwurf der Scheinselbständigkeit zu verhindern. Selbiges hatten u. a. anästhesiologische Delegierte und weitere Unterstützer bereits beim Deutschen Ärztetag 2023 in einem Antrag gefordert, der an den Vorstand der Bundesärztekammer verwiesen wurde.

Ein weiterer umstrittener Punkt des Referentenentwurfs ist für die DGAI die Forderung, dass Leistungserbringer, die Hybrid-DRGs abrechnen, eine Erklärung abgeben müssen, dass keine anderen Leistungserbringer die Leistung über den EBM abrechnen. Das sieht die DGAI nicht nur als unpraktikabel an, sondern befürchtet auch erhebliche haftungsrechtliche Risiken.

 

Paradigmenwechsel in der Vergütung ärztlicher Leistungen

Zudem komme es zu einem Paradigmenwechsel in der Vergütung ärztlicher Leistungen. Der Entwurf sieht für die Hybrid-DRGs normativ festgelegte und nicht transparent hergeleitete Vergütungen in Euro vor – ohne Möglichkeit diese an zukünftige Kostenentwicklungen anzupassen. Die DGAI fordert daher, die Bewertungen – wie bisher im DRG-System – als Bewertungsrelation mit Kopplung an den jeweiligen Bundesbasisfallwert darzustellen.

Hier zieht die Fachgesellschaft einen Vergleich zu der seit 27 Jahren nicht mehr angepassten Gebührenordnung für Ärzte. Eine Anpassung der Bewertungen unterliege damit – wie bei der GOÄ – dem politischen Willen des jeweiligen Bundesministers und könnte künftig nur durch eine weitere Verordnung des BMG erfolgen.

Angesichts all dieser Schwächen und Unstimmigkeiten lehnt die DGAI den vorliegenden Gesetzesentwurf ab. Ohne die von ihr geforderten Änderungen sei eine sektorengleiche Förderung der Ambulantisierung nicht erreichbar.

Die Stellungnahme ist hier einsehbar: pdf 2023-10-26-Stellungnahme-Hybrid-DRG-V-DGAI.pdf (915 KB)