Mit großer Bestürzung hat die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) vom Tod von Professor Dr. Luciano Gattinoni erfahren. Professor Gattinoni wurde am 12. Januar 1945 in Mailand, Italien geboren, schloss 1969 sein Medizinstudium an der Universität von Mailand ab und spezialisierte sich 1974 im Fachgebiet Anästhesie und Intensivmedizin. Zu Beginn seiner Karriere sammelte er von 1975 bis 1977 bedeutende internationale Erfahrung als wissenschaftlicher Mitarbeiter am NIH in Bethesda, USA. Später wurde er ordentlicher Professor an der Universität Mailand und war Leiter der Intensivstation am Ospedale Maggiore Policlinico.
Professor Gattinoni war eine herausragende Persönlichkeit in der Intensivmedizin und hat unser Verständnis von ARDS und mechanischer Beatmung grundlegend geprägt. Er wurde bekannt durch das auf bahnbrechenden CT-Analysen beruhende „Babylungen“-Konzept, womit er mechanische Beatmungsstrategien revolutionierte und die Grundlage für die Durchführung der Beatmung in Bauchlage legte, als dessen Erfinder er gilt. Seine Forschung legte den Grundstein für lungenschonende Beatmungsstrategien und extrakorporale CO2-Entfernung und rettete weltweit unzählige Leben, insbesondere während der COVID-19-Pandemie. Im Laufe seiner glanzvollen Karriere verfasste er mehr als 600 von Experten begutachtete Artikel und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Professor Gattinoni war von 1988 bis 1990 Präsident der European Society of Intensive Care Medicine (ESICM). Seit 2002 war er zudem korrespondierendes Mitglied der DGAI.
Nach seiner aktiven Zeit in Italien war Prof. Gattinoni oft in seiner neuen Wahlheimat Göttingen anzutreffen, wo er in der Klinik für Anästhesiologie an der Universitätsmedizin Göttingen seine wissenschaftliche und didaktische Tätigkeit fortsetzte.
Über diese wissenschaftlichen Errungenschaften hinaus war Professor Gattinoni ein Mann von außergewöhnlicher Wärme, Weisheit und Humor. Seine bemerkenswerte Neugier, sein ansteckendes Lachen und seine Begeisterung für das Leben inspirierten alle, die seinen Lebensweg kreuzten. Sein Engagement für Mentoring und Bildung prägte Generationen von Intensivmedizinern und Forschern weltweit.
„Intensivmedizin besteht nicht aus einem Beatmungsgerät und einem Bett … Intensivpflege bedeutet paranoide Liebe zum Detail durch Leute, die wissen, wie es geht … es wird nicht improvisiert.“ (Luciano Gattinoni)
Nach Paolo Pelosi in 2023 verliert die Intensivmedizin mit Luciano Gattinoni in kurzer Zeit einen zweiten Titanen, der auch zur Deutschen Anästhesie sowie zur DGAI langjährige Beziehungen gepflegt hat. Wir trauern um einen Pionier, dessen Einfluss weit über seine Lebenszeit hinausreichen wird. Unsere Gedanken sind in diesen schweren Stunden bei seiner Familie, seinen Freundinnen und Freunden sowie bei seinen Kolleginnen und Kollegen.
Wissenschaftlicher Arbeitskreis Intensivmedizin
DGAI